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Designtheorie

Nur wenn man die Möglichkeiten kennt, kann man diese nutzen, neue Optionen finden und Vorhersagen formulieren.

Design ist nicht nur in der Praxis, sondern auch in der Theorie interdisziplinär.

Als junge Disziplin, die je nach Auslegung noch nicht einmal 100 Jahre alt ist, wird diese von vielen Domänen beeinflusst und inspiriert. [1]

Designtheorie

Welcher Grundlagen und Methoden bzw. Werkzeuge kann sich Design bedienen, um wissenschaftliche Erkenntnisse zu fördern?

Um diese Frage zu beantworten, lohnt sich ein Blick auf Vorhandenes.

Seit ich diese Seite mit den folgenden Informationen im März 2013 veröffentlicht habe, hat sich meine Perspektive auf dieses Thema teilweise deutlich verändert und ich werde diese Informationen überarbeiten. Wenn Sie jetzt schon Interesse am Austausch haben, schreiben Sie bitte an: Michael Bergeler.

Hermeneutik

Darunter wird die Interpretation von Texten verstanden. Design, wie schon öfters auf meinen Seiten erwähnt, hat interdisziplinären Charakter und kann von anderen Domänen befruchtet werden aber hierfür müssen die vorhandenen Informationen verstanden werden. Insbesondere beim Lesen alter Texte, die sich durch die Sprache der Zeit und deren Worte sowie Formulierungen teilweise deutlich unterscheiden, ist dies keine triviale Aufgabe. Auch aktuelle Texte aus anderen Wissenschaften wie bspw. der Pädagogik verwenden eigene Begrifflichkeiten die der Forscher verstehen muss.

Phänomenologie

Beim phänomenologischen Sichten soll möglichst alles gesehen werden, was gegeben ist. Ziel ist im Anschluss die phänomenologische Beschreibung und diese sollte wertfrei sein. [2]

Deshalb müssen nach Edmund Husserl bei dieser Deskription alle Theorien, Schlüsse und Hypothesen weggelassen werden, was nicht einfach ist, weil wir Menschen nur zu gerne Sachverhalte unterstellen und die eigene soziale Realität einbringen.

Auf welche Weise soll nun dieses Vorgehen im Design nützlich sein?

Aus meiner Sicht liegt der große Vorteil in der strengen Konzentration auf die Fakten, um mit diesen Daten unbelastet Hypothesen und Theorien für Design entwickeln zu können.

Empirismus - naiv

Der naive Empirist versucht über die Wissenschaft wahre Erkenntnisse zu gewinnen.

Mit Hilfe von Beobachtung & Experiment werden Daten gesammelt, welche dann über Generalisierung, Abstraktion usw. zu Gesetzmäßigkeiten abgeleitet werden. Wenn es für den Empiristen "gut" läuft, stellen die entdeckten Gesetzmäßigkeiten ein Naturgesetz dar.

Heute wird diese Vorgehensweise von keinem Wissenschaftstheoretiker mehr unterstützt und dürfte auch im Design keine Bedeutung haben.

Empirismus - logisch

Logische Empiristen haben erkannt, dass der Wissenschaftler bevor er forscht, schon etwas wissen muss, um aus der unendlichen Menge des Beobachtbaren auszuwählen.

Alan F. Chalmers schreibt in seinem Buch Wege der Wissenschaft: "Bei identischen Gegebenheiten hat der erfahrene und geschulte Beobachter nicht die gleichen Wahrnehmungsfähigkeiten wie der Novize." [3]

Das heißt, dass Wissenschaft hier bereits mit der theoretischen Konzeption beginnt. Für den Forscher besteht im logischen Empirismus aus einem System von Sätzen, die nicht in Widerspruch zueinander stehen dürfen. Protokollsätze verbinden dabei diese Satzsysteme mit den Daten der Beobachtung. Für die empirische Überprüfung wird Induktion verwendet. Im Gegensatz zum naiven Empirismus wird aber nicht von Einzelfällen auf Naturgesetze geschlossen, sondern der Versuch unternommen mit mehreren Beobachtungen zu begründen - die Hypothese soll also empirisch verifiziert werden und je mehr Bestätigungen es gibt, um so höher ist der Wahrheitswert. Warum die Verifikation des logischen Empirismus in der Wissenschaft wenig sinnvoll ist, wurde von Karl R. Popper in seinem Buch "Logik der Forschung" beschrieben. Selbst die von ihm selbst eingeführten statischen Sätze in Form von Wahrscheinlichkeitsaussagen konnten das nicht verhindern, weil sich schließlich jeder induktiv gewonnene Satz widerlegen läßt. [4]

Falsifikationismus

Karl Raimund Popper(1902 - 1994) kritisiert das Verifikationsprinzip des logischen Empirismus, weil sich die Unterstützung einer Hypothese durch empirische Verifikation als nicht sinnvoll herausgestellt hat.

So könnte man beispielsweise annehmen, dass Herr Schwarz, der bereits seit über 30 Jahren mit seinem Rad bei jedem Wetter zur Arbeit fährt, diese Fahrt auch noch bis zur Rente machen wird - zumindest möchte er es so beibehalten, weil es ihm gut tut. Doch am nächsten Tag wird er von einem LKW im toten Winkel übersehen und alle bis dahin gesammelten Daten sind hinfällig. Laut dem logischen Empirismus hatte er immerhin ca. 4.500 unterstützende Erfahrungen und er hatte bis dahin auch von keinem anderen Unfall gehört, weil es nur eine Straße zu überqueren gibt.

Weil es also nicht gelingen kann, eine Hypothese oder Theorie zu verifizieren, schlägt er die Falsifikation vor. Für den Forscher heißt das, dass eine Widerlegung angestrebt werden muss. Wenn eine Theorie mehrere Falsifikationsversuche überstanden hat, kann diese als "bewährt" bezeichnet werden aber niemals als "wahr", weil der nächste LKW schon unterwegs sein könnte.

Bereits bei der Konzeption einer Theorie ist darauf zu achten, dass eine Theorie falsifizierbar ist. Mit Basissätzen, die als "wahr" bezeichnet werden können, wird dies erreicht.

"Basissätze sind also - in realistischer Ausdrucksweise - Sätze, die behaupten, dass sich in einem individuellen Raum-Zeit-Gebiet ein beobachtbarer Vorgang abspielt." [5] [6]

Basissätze:

  • müssen intersubjetiv nachprüfbar sein
  • sind vorläufige Falsifikatoren oder Konfirmatoren
  • gelten dann als vorläufig akzeptiert, wenn bei Einhaltung methodologischer Regeln innerhalb Forschergemeinschaft Einigung über Gültigkeit gelingt

Nach Popper ist eine Theorie dann empirisch und falsifizierbar, wenn die Klasse aller überhaupt möglicher Basissätze eindeutig in zwei, nicht leere Teilklassen zerlegt werden kann:

  • Klasse Falsifikationsmöglichkeiten der Theorie - stehen im Widerspruch mit Theorie, verbieten diese
  • Klasse Konfirmatoren der Theorie - erlauben die Theorie

Falsifikationismus - raffiniert

Beim raffinierten Falsifikationismus, einer späteren Entwicklung Poppers, sollen die beiden Konzepte empirischer Gehalt und Wahrheitsnähe, Kriterien für den Erkenntnisfortschritt liefern.

Dabei steht nicht mehr die Falsifizierung im Vordergrund und eine Theorie wird nur dann aufgegeben, wenn es eine Alternativtheorie mit höherem empirischen Gehalt und mehr Wahrheitsnähe gibt. Die Prüfung, ob die Falsifikatoren der Basissätze mit der Alternativtheorie besser vereinbar sind, ist dabei ebenso entscheidend.

Laut Imre Lakatos, Lehrstuhlnachfolger von Karl Popper, 

"... ist eine Theorie akzeptabel oder wissenschaftlich nur dann, wenn Sie einen bewährten empirischen Gehaltsüberschuss über ihren Vorgänger (oder Rivalen) besitzt, das heißt sie zur Entdeckung von neuen Tatsachen führt." [7]

Im raffinierten Falsifikationismus wird also nicht mehr eine Theorie, sondern eine Theoriereihe der Beurteilung zu Grunde gelegt.

Falsifikationismus - dogmatisch

Beim dogmatischen Falsifikationismus, einer Erfindung einiger Kritiker des kritischen Rationalismus, wird ebenfalls akzeptiert, dass Wissenschaft nichts endgültig beweisen kann. Durch Falsifizierung werden Theorien aber endgültig widerlegt und durch neue ersetzt.

Dieses Vorgehen impliziert, dass die Basissätze der Falsifizierung absolut wahr sind, was Popper natürlich als unhaltbar erklärt.

Nach Lakatos spricht sich Popper im naiven Falsifikationismus klar gegen eine endgültige empirische Widerlegung aus. Dennoch kann eine Theorie falsifiziert werden, indem hier die Basissätze nicht zum relevanten Teil für die Falsifizierung erklärt werden.

Konstruktivismus

Beim Konstuktivismus konstruiert der Forscher quasi eine Realität auf die sich seine Theorien beziehen, indem er auswählt oder herstellt (Realisation) anstatt Induktion anzuwenden und dabei dominiert die Theorie die Empirie.

Folgende Hypothese könnte gegeben sein: "Die farbliche Gestaltung von Text hat Auswirkung auf die Glaubwürdigkeit von Inhalten - z.B. dunkelblau vs. rot."

Als Designforscher mache ich eine Reihe von Experimenten, um meine Hypothese zu stützen. Anschließend wird ein andere(r) Designforscher(in) feststellen, dass sich die Hypothese in den meisten Fällen  nicht bewährt hat. Eigentlich könnte die Hypothese nun verworfen werden, wenn nicht ein weitere(r) Forscher(in) die Experimenten analysiert hätte mit dem Schluss, dass es zwar wenig Bestätigung gibt aber die Hypothese dennoch nicht falsch sei, sondern bei Konzeption und Durchführung der Experimente Fehler gemacht wurden. So habe ich zum Beispiel explizite Befragungen durchgeführt und dadurch starken Einfluss auf die VP ausgeübt.

Lakatos empfiehlt in seiner Methodologie wissenschaftlicher Forschungsprogramme die Definition eines harten Kerns und mit Hilfe von Zusatzhypothesen, Falsifikationsversuche abzuwehren. Auf diese Weise können über "Exhaustion" bzw. exhaurieren viele Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um eine Theorie oder Hypothese vor der Falsifizierung zu retten - eine Spezialität des Konstruktivismus.

Klaus Holzkamp unterscheidet systemimmanente Eindeutigkeit, welche logische Widerspruchslosigkeit einer Theorie fördert und systemtranszendente Eindeutigkeit, welche für die Anbindung einer aus Sätzen aufgebauten Theorie an die Empirie steht.

"Eine Theorie ist in dem Maße systemtranszendent eindeutig, als - in besonderen Sätzen erfaßte - reale Verhältnisse ausgewählt oder hergestellt werden können, die mit der Thorie in Einklang stehen." [8] [9]

Damit Exhaustion nicht unbegrenzt möglich ist, unterscheidet Holzkamp erlaubte und unerlaubte Möglichkeiten und entwickelte das Konzept des Belastetheitsgrades von Theorien:

"Sofern der - logisch immer mögliche - Rückgriff auf störende Bedingungen zur Interpretation von Abweichungen nicht begründet werden kann, wird der Umstand, dass die theoretische Annahme nur durch Exhaustion aufrechterhalten werden kann, der Theorie als "Belastetheit" zugerechnet. Je höher der Belastetheitsgrad einer Theorie ist, um so mehr verringert sich ihr "empirischer Wert" bzw. ihr Realisationsgrad." [8] [10]

Neue Hypothesen und Theorien für Design

Wie kommt der Designforscher nun zu einer neuen Designtheorie bzw. zu einer Hypothese?

Auf der einen Seite, sehe ich die ständige Auseinandersetzung mit Designthemen als grundlegendes Verhalten des Designforschers, was früher oder später Fragen und Probleme aufwirft, die es zu beantworten oder lösen gilt.

Auf der anderen Seite haben Sedlmeier & Renkewitz 2008 ein Methodenlehrbuch verfasst, in dem die beiden Autoren unter anderem der Frage nachgehen, woher Theorien kommen - es ist zu lesen "... bed, bathroom and bicycle...". Dennoch traue ich mich zu schreiben, dass diese entspannten Momente erst dann zu kreativen Gedanken führen, wenn vorher eine intensive Auseinandersetzung mit den zugehörigen Themen stattgefunden hat.

 

 

[1] Quelle: Uta Brandes, Michael Erlhoff, Nadine Schemmann. Designtheorie und Designforschung, 2009, Paderborn: Wilhelm Fink GmbH & Co. Verlags-KG, Seiten 25 - 58.

[2] Quelle: Karl-Heinz Renner, Gerhard Ströhlein. Einführung in die Forschungsmethoden der Psychologie, 2011, FernUniversität Hagen, Seiten 31 - 32.

[3] Quelle: Allen F. Chalmers. Wege der Wissenschaft, 2007, Nils Bergemann - Christine Altstötter-Gleich. Heidelberg: Springer-Verlag, Seiten 8 - 20.

[4] Quelle: Karl-Heinz Renner, Gerhard Ströhlein. Einführung in die Forschungsmethoden der Psychologie, 2011, FernUniversität Hagen, Seiten 40 - 42.

[5] Quelle: Karl-Heinz Renner, Gerhard Ströhlein. Einführung in die Forschungsmethoden der Psychologie, 2011, FernUniversität Hagen, Seite 43.

[6] Quelle: Karl R. Popper. Logik der Forschung, 1982, Tübingen: Mohr, Seite 69.

[7] Quelle: Karl-Heinz Renner, Gerhard Ströhlein. Einführung in die Forschungsmethoden der Psychologie, 2011, FernUniversität Hagen, Seite 45.

[8] Quelle: Karl-Heinz Renner, Gerhard Ströhlein. Einführung in die Forschungsmethoden der Psychologie, 2011, FernUniversität Hagen, Seite 48,49.

[9] Quelle: Klaus Holzkamp. Kritische Psychologie, 1972, Frankfurt am Main: Fischer, Seite 93.

[10] Quelle: Klaus Holzkamp. Kritische Psychologie, 1972, Frankfurt am Main: Fischer, Seite 95.